Dolly Ropes – Materialschutz statt Umweltschutz?
Share
Wenn du gern Zeit an der deutschen Nordseeküste verbringst, bist du mit Wetter, Wind und Wellen wohlvertraut. Auch ein weiterer Anblick wird dir bekannt sein: Kleine Plastikfäden, meist orange oder blau, die an den Strand geschwemmt wurden. Das sind sogenannte “Dolly Ropes” oder “Scheuerfäden”. Sie wurden zum Schutz von Fischernetzen entwickelt, aber gefährden die Umwelt. Was können wir dagegen tun?
Wenn du gern Zeit an der deutschen Nordseeküste verbringst, bist du mit Wetter, Wind und Wellen wohlvertraut. Auch ein weiterer Anblick ist dir sicherlich bekannt: Kleine Plastikfäden, meist orange oder blau, die an den Strand geschwemmt wurden. Das sind sogenannte “Dolly Ropes”, zu Deutsch auch “Scheuerfäden” oder “Scheuerschutz”, die zum Schutz von Fischernetzen eingesetzt werden, die über den Meeresboden gezogen werden. Viele dieser Fäden gehen verloren und treiben als Plastikmüll durch die Meere oder an den Strand. Aber was genau sind Dolly Ropes eigentlich? Wie kommt es, dass so viele von ihnen abreißen und was bedeuten sie für die Umwelt?
Hast du schon einmal solche Plastikfäden am Strand gesehen?
Diese Fragen beantworten wir dir in diesem Blogbeitrag und erkunden außerdem, welche Ansätze es bereits gibt, um ihren Beitrag zur Vermüllung der Ozeane zu mindern. Kleiner Spoiler: Wir haben natürlich auch ein paar Ideen, wie wir geborgene Dolly Ropes oder Scheuerschutzfäden upcyceln können – zum Beispiel zu Ohrringen oder Armbändern! Aber dazu am Ende mehr.
Zuerst: Wie funktionieren Dolly Ropes überhaupt?
Dolly Ropes werden besonders in der Grundschleppnetzfischerei eingesetzt, in Europa vor allem beim Fang von Seezunge und Krabben. Dabei werden riesige, trichterförmige Netze über den Meeresboden gezogen, wo sie komplette Ökosysteme aufwühlen und alles einfangen, was ihnen in den Trichter kommt. Diese extrem zerstörerische Art der Fischerei setzt auch den Netzen selbst zu: Sie scheuern am Boden auf oder reißen ab, wenn sie zum Beispiel an steinigem Boden hängen bleiben.
Um ihre teuren Netze zu schützen, haben Fischereien einen Scheuerschutz entwickelt – die Dolly Ropes. Das sind viele kleine Plastikfäden aus Polyethylen, die meist etwa 1-2 Meter lang sind. Diese Dolly Ropes werden in Bündeln zusammengelegt und in der Mitte der Bündel an der Unterseite von Schleppnetzen befestigt. Wenn die Netze beim Fischen über den Boden gezogen werden, spreizen die Fäden der Bündel sich auf und bilden so eine Schutzschicht zwischen dem Meeresboden und dem Fischernetz. Wo der Boden vorher den Netzen zugesetzt hat, nehmen jetzt die Dolly Ropes den Abrieb durch den unebenen Meeresgrund in Kauf. Darum nennt man sie auch “Scheuerfäden”.
Dieses Bild zeigt besonders gut die kleinen Bündel, in denen Dolly Ropes an Fischernetzen befestigt werden.
Wie gelangen die Scheuerfäden in die Umwelt?
Dolly Ropes sind durch ihre Funktion als Scheuerfäden heftigen Bedingungen ausgesetzt. Sie sind Verschleißartikel: Sie scheuern ab, verheddern, verknoten und verfilzen sich. Teilweise reißen sie auch ab. Laut dem Thünen-Institut, einem Bundesforschungsinstitut für Fischerei, gehen 10 bis 25 % aller Dolly Ropes bereits während ihrer ersten zwei Einsatzwochen verloren. Dadurch müssen sie auch regelmäßig gewartet und ersetzt werden. So entsteht ein ewiger Kreislauf, durch den tagtäglich Dolly Ropes verloren gehen und die Umwelt verschmutzen. Und damit ist noch nicht genug. Durch mangelhaftes Müllmanagement auf vielen Fischereibooten landen noch einmal genau so viele Dolly Ropes im Meer, wenn sie bei Wartungsarbeiten nicht richtig entsorgt werden. Das heißt, etwa 20 bis 50 % aller Dolly Ropes enden im Meer.
Was bedeuten Dolly Ropes für die Umwelt?
Dolly Ropes sind Teil einer besonders zerstörerischen Praxis in der Fischerei. Grundschleppnetze zerstören den Meeresboden unwiederbringlich und haben eine enorm hohe Beifangrate. In unseren Augen bedeuten Dolly Ropes also überhaupt nichts Gutes. Die Fischerei selbst klammern wir aber an dieser Stelle aus – einige Probleme der Fischerei und dass selbst Fischsiegel nur bedingt aussagekräftig sind, haben wir hier bereits diskutiert. Stattdessen fokussieren wir uns jetzt nur auf Dolly Ropes, die in der Umwelt landen.
Gefahr für TiereWenn Plastik in die Umwelt gelangt, ist die Gefahr für die Tierwelt nicht weit. Viele Tiere verwechseln Plastik mit natürlichen Materialien und da sind Dolly Ropes keine Ausnahme. Auf Helgoland können wir das beispielhaft betrachten. Die Vögel aus der einzigen Basstölpel-Kolonie Deutschlands sammeln Dolly Ropes, um damit ihre Nester zu bauen oder zu verstärken. Viele Vögel verheddern sich in den Netzen und können sich allein nicht befreien, sodass sie einen qualvollen und langsamen Tod erleiden.
Nistende Basstölpel auf Helgoland – erkennst du die Dolly Ropes zwischen den Nestern?
Plastikmüll und Mikroplastik in unseren MeerenHast du schon einmal vom Great Pacific Garbage Patch gehört? Dieser riesige Müllstrudel im Nordpazifik ist etwa viereinhalbmal so groß wie Deutschland und besteht aus Unmengen von Plastikmüll, den wir als Menschen produziert haben. Was kaum jemand weiß: 46 % davon besteht aus ehemaliger Fischereiausrüstung wie Geisternetzen und Dolly Ropes. Tatsächlich dauert es 400 bis 600 Jahre, bis sich solche Netzteile in den Meeren zersetzen – und selbst dann nur zu Mikroplastik. Das sind kleinste Plastikteilchen, die das Meerwasser unwiderruflich verschmutzen und von vielen Meerestieren als vermeintliche Nahrung aufgenommen werden. Bei Dolly Ropes ist die Meeresverschmutzung vorprogrammiert: Bereits durch den Abrieb am Meeresgrund entsteht dieses schädliche Mikroplastik.
Dolly Ropes sind eine Gefahr für die Umwelt. Darum ist es so wichtig, dass wir sie mit Organisationen wie Healthy Seas und Ghost Diving aus den Meere holen.
Was können wir gegen dieses Problem tun?
Dolly Ropes sind dazu da, wertvolles Material zu schützen. Das ist natürlich ein gutes Ziel – aber nicht auf Kosten der Umwelt. Deshalb brauchen wir alternative Lösungen, um diese Form der Umweltverschmutzung zu beenden. Wie könnte das aussehen?
-
Grundschleppnetzfischerei beenden
Diese Forderung klingt drastisch. Aber das hat ihre Gründe, denn die Grundschleppnetzfischerei ist nicht nur aufgrund von Dolly Ropes umweltschädigend. Wie das Bundesamt für Naturschutz mit Bezug auf die Nordsee erklärt, schädigt der Einsatz von Grundschleppnetzen den Meeresboden stark und führt zu besonders viel Beifang, was beides langfristige Folgen für Ökosysteme und den Artenerhalt mit sich trägt. -
Alternative Materialien verwenden
Solange mit Grundschleppnetzen gefischt wird, könnten andere Materialien die negativen Folgen von Dolly Ropes auf die Umwelt mindern. Das Dollyropefree-Projekt in den Niederlanden testet Alternativen, die entweder dem Abrieb am Meeresgrund besser standhalten oder biologisch abbaubar sind. So kommen zum Beispiel Lösungen aus Holz, Hanf oder Leder infrage. Zusätzlich wurden in Meerwasser biologisch abbaubare Dolly Ropes entwickelt – allerdings gibt es einige Gründe, die gegen Bioplastik sprechen. -
Verbesserte Netzdesigns
Noch besser wären Methoden, die Dolly Ropes komplett überflüssig machen – zum Beispiel neue Netzdesigns, die jeglichen Bodenkontakt verhindern und den Scheuerschutz dadurch überflüssig machen. Das Thünen-Institut entwickelt aktuell solche Modifikationen, zum Beispiel über den Zuschnitt der Netze oder über Auftriebsmittel. -
Besseres Müllmanagement von Fischereien
Zuletzt gibt es noch einen Punkt, den Fischereien ohne große Änderungen oder zusätzliche Kosten umsetzen können: ihren Umgang mit Müll. Eine Sensibilisierung der Besatzung von Fischerei-Crews über die negative Umwelteinwirkung von Dolly Ropes und ihre richtige Entsorgung könnte dafür sorgen, dass bis zu 50 % weniger in den Meeren und an unseren Stränden landen.
Upcycling – Wiederverwendung der Scheuerfäden
Diese Lösungsvorschläge blicken alle in die Zukunft und wollen vermeiden, dass mehr Dolly Ropes in den Meeren landen. Aber was ist mit denen, die bereits dort sind? Die Antwort ist so einfach wie aufwendig: Wir müssen sie aufsammeln. Dann können wir sie in den Materialkreislauf zurückführen und recyceln. Wir haben in der Vergangenheit auch an einer Idee gearbeitet, wie wir sie upcyceln können. Zum Beispiel zu Ohrringen und Armbändern.
Schaut unbedingt vorbei, wenn wir sie wieder vorrätig haben.