Aber zuerst: Was ist Bioplastik überhaupt?
Wenn wir im Supermarkt stehen, ist für uns klar, da wo „Bio“ drauf steht, handelt es sich um Lebensmittel aus biologischem Anbau. Beim Begriff Bioplastik ist dies allerdings nicht so eindeutig. Weder „Bioplastik“ noch „Biokunststoff“ sind geschützte Begriffe und es gibt keine einheitliche Definition. Laut Umweltbundesamt (UBA) müssen Biokunststoffe entweder:
– aus nachwachsenden Rohstoffen (häufig Mais, Zuckerrohr oder Kartoffeln) hergestellt sein, aber nicht bioabbaubar sein, diese nennt man dann biobasiert
– nach anerkannter DIN-Norm biologisch abbaubar sein, dies bedeutet, dass sie sich unter bestimmten Bedingungen selbst zersetzen, aber dennoch aus erdölbasierten Polymeren bestehen können
– oder biobasiert und biologisch abbaubar zugleich sein
Quelle: Umweltbundesamt: Gutachten zur Behandlung biologisch abbaubarer Kunststoffe, 2018: 28.
Festzuhalten ist also: Nicht alle biologisch abbaubaren Kunststoffe sind aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und nicht jeder Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen ist biologisch abbaubar.
Klingt alles etwas verwirrend und alles andere als „bio“, oder?
Hier sind 9 Argumente, warum Bioplastik nicht hält, was der Name verspricht
Der Begriff führt uns in die Irre
Bereits die fehlende eindeutige Definition von Bioplastik führt uns in die Irre und bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass es sich nicht immer um ökologische Rohstoffe handelt, sondern nur, dass das Endprodukt entweder biobasiert oder bioabbaubar ist. Außerdem gibt es keine eindeutige Kennzeichnung auf Produkten, ob es sich um Bioplastik handelt. Und falls es gekennzeichnet ist, woher wissen wir, ob es sich um biobasiertes oder bioabbaubares Bioplastik handelt?
Die Entsorgung ist kompliziert und unklar
So können wir auch nicht wissen, wie es entsorgt werden muss. Der Weg in die gelbe Tonne ist nicht der richtige, da Bioplastik beim Recycling der herkömmlichen Kunststoffe stört. Zum einen werden oft die technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, zum anderen verfügen sie nicht über das Potenzial einer werkstofflichen Verwertung wie konventionelle Kunststoffe und beeinträchtigen so die Qualität der Sekundärrohstoffe. In den Biomüll gehört Bioplastik auch nicht, weil es nicht schnell genug kompostierbar ist. Außerdem sieht es auf den ersten Blick aus wie normales Plastik, was dazu führen kann, dass die Müllabfuhr den Biomüll dann gar nicht mitnimmt. Naja, bleibt also nur noch der Weg in den Restmüll, dieser wird allerdings verbrannt – der einzige Vorteil, der bleibt, ist, dass nachwachsende Rohstoffe bei der Verbrennung nur so viel CO2 freisetzen, wie sie zuvor im Wachstum aufgenommen haben.
Der Anbau für die Rohstoffe nimmt Anbauflächen weg
Biobasierte Kunststoffe werden aus Rohstoffen hergestellt, die sonst auch als Nahrungsmittel genutzt werden. Die Ackerflächen, auf denen beispielsweise Mais und Zuckerrohr für Bioplastik angebaut wird, stehen dann nicht mehr für den Lebensmittelanbau, für Wildtiere oder einfach für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlage zur Verfügung. Es kann zur Flächenkonkurrenz kommen, wenn Anbauflächen für Verpackungsmaterial ver(sch)wendet werden.
Der Anbau der Rohstoffe belastet die Umwelt
Der Anbau der benötigten Rohstoffe wirkt sich negativ auf die Umwelt aus. Es werden große Mengen an Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln verwendet, die die Böden und Gewässer belasten. Die Böden übersäuern und Nährstoffe gelangen in Flüsse und Seen, welche dazu führen, dass das Algenwachstum beschleunigt wird. Diese Eutrophierung kann unter anderem auch zu Fischsterben führen. Laut UBA ist diese Belastung sogar höher als bei der Herstellung herkömmlicher Kunststoffe.
Der ökologische Fußabdruck ist kaum besser als bei konventionellem Plastik
Es entsteht zwar weniger CO2 bei der Produktion von Biokunststoffen; fossile Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas werden aber trotzdem weiterhin verbraucht, beispielsweise in Form von Diesel oder Düngemittel. Die Ökobilanz scheint daher am Ende dennoch annähernd gleich zu sein, da sich der ökologische Fußabdruck einfach an anderer Stelle zeigt. Zu dem Schluss kommt auf jeden Fall eine Studie des UBA.
Steigt der Marktanteil der Biokunststoffe, erhöht sich auch der Treibhausgasausstoß
Wenn sich der Anteil der Biokunststoffe erhöht, werden mehr Anbauflächen benötigt. Werden dann also auch noch Wälder dafür gerodet, gelangen dort mehr Treibhausgase in die Atmosphäre, weil die nicht mehr vorhandenen Wälder das CO2 nicht mehr binden können.
Die Zusammensetzung der Kunststoffe ist häufig undurchsichtig
Bei biobasierten Kunststoffen ist der Mindestanteil an nachwachsenden Rohstoffen nicht definiert. Häufig enthält Bioplastik einen großen Anteil an fossilen Rohstoffen in Form von Stabilisatoren, Gleitmitteln und Antistatika. Hersteller müssen den Anteil dieser Additive nicht offen legen und so lässt sich der biobasierte Anteil laut UBA nur experimentell in Polymeren und in Produkten ermitteln.
Bioplastik wird häufig nicht kompostiert
Selbst wenn Biokunststoff in den Kompostieranlagen einer Müllentsorgungsanlage landet, wird er häufig aussortiert. In industriellen Kompostieranlagen verrottet Bioplastik nicht schnell genug, es hat dort nur 3-6 Wochen Zeit, bräuchte aber 12 Wochen, und hinterlässt somit Störstoffe im fertigen Kompost zurück. Diese müssen im Zweifel sogar danach noch ausgesiebt werden (was zusätzlich hohe Kosten verursacht). Außerdem: Selbst wenn Biokunststoff komplett zersetzt werden würde, bleibt am Ende nur CO2 und Wasser zurück und keine wertgebenden Kompostbestandteile wie Mineralien, Nährstoffe oder Humus.
Bioplastik bleibt in der Natur und im Meer bestehen
In der Natur und auf dem heimischen Kompost verrottet Bioplastik nicht einfach so, hat somit keine erkennbaren Vorteile gegenüber erdölbasiertem Plastik und ändert rein Garnichts an unserem Plastikproblem. Denn in der Natur sind ebenfalls nicht die optimalen Bedingungen für die Zersetzung gegeben. Meist entsteht nicht genug Hitze, Temperaturen von 60 Grad wären notwendig, und es fehlen beispielsweise zersetzende Enzyme und Pilze.
Auch im Meer kann sich Bioplastik nicht einfach abbauen. Unsere Ozeane sind so vielfältig und damit einhergehend die Bedingungen. Forscher*innen haben herausgefunden, dass bestimmtes Bioplastik sich zwar auf dem Meeresboden in den Tropen schneller abbaut als im Mittelmeer. Im eiskalten Wasser, der Arktis oder der Tiefsee bleibt Bioplastik aber über Jahre bestehen, bei Temperaturen von 0 bis 4 Grad fehlen Nährstoffe und Bakterien haben Schwierigkeiten die Materialien zu verdauen. Ein Biokunststoff, der in all diesen unterschiedlichen Gegebenheiten abbaubar wäre, klingt utopisch und ist zudem auch gar nicht sinnvoll. Denn Verpackungen in die Natur oder ins Meer zu werfen, ist eindeutig die falsche Botschaft und schadet zudem sofort dem Ökosystem und den darin lebenden Tieren.
Quelle: Heinrich Böll Stiftung, BUND: Plastikatlas: Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff 2019 (2. Aufl.): 35. CC BY 4.0.
Unser Fazit
Das mit dem Bioplastik scheint kompliziert zu sein, wird sind allerdings eindeutig der Meinung: Nach jetzigem Stand kann Bioplastik keine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Plastik sein. Natürlich ist es immer besser, weniger fossile Ressourcen zu verbrauchen und CO2 einzusparen, wenn allerdings dann an andere Stelle die Umwelt durch die Übersäuerung von Böden und die Eutrophierung von Gewässern beeinträchtigt wird, heben sich die Vor- und Nachteile auf. Wenn wir als Verbraucher*innen gar nicht wissen, wann es sich um Biokunststoffe handelt und wie wir diese zu entsorgen haben, erschließt sich uns auch hier kein Vorteil. Die uns suggerierte biologisch abbaubare Verpackung ist mit den industriellen Kompostieranlagen und dem heimischen Kompost auf jeden Fall nicht kompatibel. Wir wünschen uns daher eine eindeutige Bezeichnung, ob und um welche Art von Biokunststoff es sich handelt.
Der Ansatz, Kunststoffe aus natürlichen Ressourcen herzustellen, ist im Grunde nicht schlecht – und auch nicht neu (Kunststoffe wurden bereits um 1870 aus Zellulose entwickelt), allerdings noch ziemlich ausbaufähig. Im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft wird daran geforscht, Biokunststoffe aus Bioabfällen, Restrohstoffen wie Maisblättern oder Überresten aus der Holzverarbeitung herzustellen. Das würde durchaus mehr Sinn ergeben, da dann keine Flächen für den Rohstoffanbau genutzt werden müssten und auch die CO2-Bilanz geringer ausfallen würde. Die Forschung wird sicherlich noch einige Jahre dauern aber selbst dann bleibt fraglich, ob der Marktanteil sich ändern wird, die jetzigen Nachteile verringert werden und Strukturen für eine eindeutige Entsorgung geschaffen werden können.
Für uns gilt daher grundsätzlich immer: Plastikprodukte so gut es geht zu vermeiden stellt die nachhaltigste Alternative dar und besonders vom irreführenden Begriff „Bioplastik“ sollte man sich nicht verleiten lassen. Auch im Netquarter versuchen wir, auf Plastik zu verzichten. Unsere Bracenets und Hundeleinen werden in Baumwollsäckchen, unsere Team Wear ausschließlich in Pappkartons verpackt. Außerdem stehen wir stets in Kontakt mit unseren Lieferanten und fordern diese auf, Plastikverpackungen zu vermeiden. Naja und dass wir unser Mittagessen in der wiederverwendbaren Dose transportieren, erklärt sich ja von selbst.
Hier haben wir außerdem 31 Tipps für dich, wie du Plastik im Alltag reduzieren kannst.