Aquarien und Zoos — Orte des Scheinwissens?
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Ausflüge ins Tropen-Aquarium und in den Zoo sind heute immer noch ein beliebtes Freizeitziel. Die meisten Familien begründen ihren Besuch damit, dass ihre Kinder etwas über die Lebensweise der Tiere erfahren sollen. Zoos versichern, dass sie zum Artenschutz beitragen und Tiere hier viel länger als in Freiheit leben würden. Doch wie viel Wahrheit steckt dahinter? Komm, wir schauen genauer hin!
Ausflüge ins Tropen-Aquarium und in den Zoo sind heute immer noch in der Gesellschaft hoch angesehen und ein beliebtes Freizeitziel. Die meisten Menschen begründen ihren Besuch damit, dass ihre Kinder etwas über die Lebensweise und das Aussehen der Tiere erfahren sollen. Durch Zoos soll der Artenschutz und Artenerhalt gesichert werden. Es heißt, dass wir viel über die exotischen Tiere lernen, sie dort artgerecht gehalten werden und sie dadurch doch viel länger als in Freiheit leben. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Aussagen?
Wissensverbreitung im Zoo
Üblicherweise stehen vor jedem Gehege im einem Zoo kleine Informationstafeln mit dem Herkunftsland der Tiere. Doch meist werden keine näheren Informationen darüber gegeben, woher genau sie stammen, auf welchem Weg sie in den Zoo gebracht wurden und unter welchen Verhältnissen sie in ihren natürlichen Lebensräumen leben. Stattdessen zeichnet sich typischerweise folgendes Bild ab:
Wir sehen zum Beispiel Haie, die auf wenigen Quadratmetern mit monotonem Blick von links nach rechts und von rechts nach links schwimmen. Äußerlich haben sie Verletzungen an ihren Mäulern vom Einfangen, Transportieren und Einsperren. Je nachdem, wie lange die Haie sich schon in Gefangenschaft befinden, sind ihre Finnen gebogen. Bei einigen ist sogar der Kiefer vom Fanghaken ausgerenkt und steht unnatürlich nach vorne. Beim genaueren Hinsehen können Besucher*innen außerdem hinter dem Glas vergammelte Flossen von Mondfischen und Pilze auf ihrer Haut erkennen. Daran sehen wir, dass viele Tiere in Gefangenschaft ein abweichendes Aussehen haben und sich anders als im offenen Meer verhalten.
Ein weiteres Beispiel bieten Tiger, die in freier Wildbahn täglich Dutzende von Kilometern hinter sich legen, schwimmen und jagen. Sie sind in Zoos allerdings auf wenigen Quadratmetern eingesperrt, haben keine Rückzugsorte und liegen gelangweilt in ihren Gehegen herum. Mit dem Bild, das Aquarien und Zoos uns zeigen, leisten sie demnach eine Art Unwissensverbreitung. Sie erzeugen bei uns ein Scheinwissen, indem sie nur oberflächliche Informationen liefern und gewählt die Fakten teilen, die sie möchten.
Orcashow: Schau dir mal die gebogene Flosse des Orcas in der Mitte an und vergleiche sie mit Bildern von Orcas im Ozean –
Photo by Leslie Driskill on Unsplash
Die gestalteten Lebensräume der Tiere
Alle Bereiche in Zoos werden strategisch geplant, wo welches Tier platziert wird, Wege und Flächen für die Menschen. Die Gestaltung der Gehege und Becken erfolgt nach den ästhetischen Vorstellungen der Besucher*innen und wie sie sich den Lebensraum der Tiere vorstellen. So werden die Umgebungen oft mit künstlichen, aber natürlich aussehenden Gegenständen, Pflanzen und Temperaturen ausgestattet. Ein zusätzlich eingespielter Sound soll den Besucher*innen eine Kulisse bieten, welche den vermeintlich echten Lebensraum der Tiere widerspiegelt. Dazu zählen laut Professor David Grazien beispielsweise Felsen und Termitenhügel aus Beton, Fiberglas, perfekt geformte Aquarien-Glasfenster und hi-fidelity Soundsysteme.
Die Errichtung und Gestaltung folgt in erster Linie den Bedürfnissen der Menschen. Dabei wird vielleicht dem Menschen gezeigt, wo die Tiere normalerweise herkommen und wie sich der natürliche Lebensraum der jeweiligen Tiere aussieht, anfühlt und anhört. Allerdings wird dabei ignoriert, wie die Tiere diese Einflüsse wahrnehmen. Da all die beschriebenen Effekte künstlich erzeugt werden, sind es störende Geräusche und Faktoren, die für sie nichts mit ihrem Leben vor der Gefangenschaft zu tun haben. Ein Termitenhügel ohne Termiten, ohne Geruch und aus Beton – welchen Nutzen hat das Tier davon? Gar keinen!
Haie im Gefängnis aus Glas – Photo by Zander Janzen van Rensburg on Unsplash
Freiheit vs. Gefangenschaft
Zahlreiche Zoologische Einrichtung werben damit, dass sie sich für den Artenschutz einsetzen. Aber hält diese Aussage einer genauen Beobachtung stand? In den letzten fünf bis zehn Jahren haben deutsche Zoos und Aquarien zum Beispiel um die 100 Tiere ausgewildert, gleichzeitig aber 800 bedrohte Tiere aus ihrem natürlichen Lebensraum genommen und nach Deutschland importiert, hier herrscht also ein klares Ungleichgewicht. Außerdem wird oft behauptet, dass Tiere in Zoos länger als in freier Wildbahn leben. Das mag für einige Tiere stimmen, zum Beispiel für Beutetiere, aber die Aussage gilt nicht pauschal für alle Tiere. Schau dir zum Beispiel diese Zahlenbeispiele von Meerestieren in Gefangenschaft versus Freiheit an:
Wie anhand der Tabelle ersichtlich ist, leben diese Tiere in Gefangenschaft nur einen Bruchteil von der Zeit, die sie in Freiheit verbringen würden.
Auch von den beliebten Delfinen braucht jedes Aquarium alle zwei bis drei Jahre einen Neuen. Wenn Delfine gefangen werden, verlieren sie nicht nur ihre Freiheit, sondern leiden auch stark. Denn sie sind sehr eng mit ihren Artgenossen verbunden und leben im Familienverbund und in festen Gruppen. Je nach Herkunft kommunizieren sie mit einem anderen Dialekt. Wenn sie dann im Auftrag des Aquariums eingefangen werden, trennt man sie von ihrer Familie und vereint sie mit anderen Artgenossen, die vermutlich vollständig anders kommunizieren. In Gefangenschaft verfallen sie oftmals in eine schwere Depression und entscheiden sich nach einiger Zeit mit dem Atmen aufzuhören und zu sterben. Ein interessanter Fakt über Delfine: im Gegenteil zu uns Menschen, die aus Reflex automatisch atmen, entscheiden Delfine selbstständig, wann sie atmen. Doch diese Informationen finden Besucher*innen im Zoo wohl kaum auf Informationsschildern. Stattdessen werben Aquarien und Zoos auf ihrer Website mit Umweltschutz, Tierschutz und artgerechter Haltung.
Ein letzter Punkt zeigt eindeutig, dass Zoos nicht ausreichend Wert auf Tierwohl und ausreichend Lebensraum legen. Ein Rechenbeispiel: Im Hagenbecks Tierpark in Hamburg befindet sich das Tropen-Aquarium, welches 8.000 Quadratmeter umfasst. Auf diesen 8.000 Quadratmetern leben insgesamt 14.300 Tiere. Wenn man den Platz und die Räume für Menschen nicht mit einbezieht, hätte jedes Tier circa 0,559 Quadratmeter Platz zur Verfügung. Würde man jetzt noch die Quadratmeter abziehen, die hauptsächlich die Menschen innerhalb des Zoos nutzen, würde sich der Wert nochmals deutlich verringern. Für uns klingt das nicht nach ausreichend Lebensraum.
Was wir daraus lernen
Abschließend ist festzuhalten, dass wir Menschen nur das lernen, was wir sehen. Zoos erzeugen durch ihren Aufbau und ihre Struktur also ein Scheinwissen, das meistens ohne einen kritischen Blick von uns aufgenommen und angenommen wird. Dadurch, dass Tatsachen verschleiert werden, ist eine echte Wissensproduktion nicht vorhanden.
Es wird sehr viel Geld in die Architektur und Struktur einer Anlage gelegt und dabei leider alles für das Auge und Wohlbefinden des Menschen geplant. Die Gefühle und das Wohl der Tiere findet dabei meistens keine Beachtung. Wie kann ein Zoo den Wildfang etlicher Tiere beauftragen, während bei dem Transport zum Beispiel von Fischen eine Vielzahl schon durch den Stress und den falschen Umgang sterben? Ein Zoo trägt keinesfalls zum Artenschutz bei, wenn er die Tiere aus ihrem natürlichen Lebensraum herausnimmt. Viel sinnvoller wäre es zu versuchen, die Lebensräume zu erhalten. Artenschutz muss demnach vor Ort stattfinden.
Dass sich dies in Zukunft ändern muss, ist klar. Doch wie lässt sich die Tierquälerei und falsche Wissensvermittlung verhindern? Eine einfache Lösung wäre, konsequent nicht mehr in den Zoo zugehen. Wir Menschen und besonders Kinder können uns genauso gut an Tieren in ihrem natürlichen Lebensraum oder auch in Dokumentationen faszinieren. Eine weitere Idee: Einfach mal in den Wald gehen und sich umschauen, was die Tierwelt vor der eigenen Haustür zu bieten hat.
Quellen
Frankfurter Allgemeine (2020):WWF: Größtes Artensterben seit Ende der Dinosaurier-Zeit droht (150 Arten sterben pro Tag aus: Größtes Artensterben seit Ende der Dinosaurier-Zeit droht (faz.net), 16.11.2021)
Grazian, David (2015): American Zoo: A Sociological Safari, Princeton: Princeton University Press. https://doi.org/10.1515/9781400873616
Lehmann, Robert M.(2021): Mission Erde – Die Welt ist es wert, um sie zu kämpfen.